Von Manfredonia
& den Tremiti Islands
2018 - Adriaüberquerung - Teil 2
Vorwort vom 19. Juli 2025
Sprachlich geglätteter Originaltext mit frischer Auswahl an Bildern.
Es war eine schöne Reise.
24. September 2018
Ein Tag in Manfredonia
Bereits gegen 10:00 Uhr waren wir wieder auf den Beinen und saßen gemeinsam in der Pflicht und frühstückten. Der Himmel war voller Quellwolken. Es herrschten nördliche Winde bis zwanzig Knoten. Die Bora blies noch. Nach der langen, schönen aber auch kräfteraubenden Überfahrt und der kurzen Nacht wollten wir bis zum Folgetag verweilen und uns in Manfredonia die Füße vertreten. Wir blickten auf das Meer hinaus, wo eine lange Mole rechtwinklig zur Küste ins Meer ragte. Wir sahen riesige Kräne soweit das Auge reichte! Es war der reinste Industriehafen.
Der Yachthafen von Manfredonia bot Platz für rund fünfhundert Schiffe. Geschätzt waren jedoch nur etwa fünfzig Boote in der Marina. Unsere Schiffsbewegung sollten die einzigen in zwei Tagen sein. Wer auf die Idee kam, eine Anlage in dieser Dimension zu bauen – wir wollen nichts unterstellen. Ein Schelm wer Böses denkt.
Die Stege der Marina waren mit hohen Zäunen geschützt. Die Tore öffneten sich nur mit einer Zugangskarte. Mit dieser wurde auch Wasser und Strom freigeschaltet. Die beiden Italiener, welche uns in den Morgenstunden am Steg empfingen, erklärten uns, dass wir ein gewisses Guthaben auf der Karte haben, welches im Liegeplatz inbegriffen ist. – Das Guthaben reichte, um unsere beiden Wassertanks vollzumachen und zwei Tage Landstrom zu ziehen. Kostenpunkt pro Tag: 60€.
Und uns wurde nur eine Nacht berechnet! In Kroatien hätte man gewiss trotz später Ankunft in den Morgenstunden gleich die Gebühr für zwei volle Tage erhoben.
An der betonierten „Riva“ des Yachthafens befanden sich zahlreiche Boutiquen. Kundschaft? Fehlanzeige. Ich begab mich zur Rezeption. Dort waren drei junge Damen beschäftigt. Die Telefone bimmelten. Es herrschte rege Betriebsamkeit vor. Der Drucker lief auf Hochtouren, Stempel knallten auf Formulare. Auch beim Verabschieden Tags darauf das gleiche Bild!
Zur Erinnerung: Wir waren fast zwei Tage in Manfredonia und haben keine andere Yacht ein- oder auslaufen gesehen.
Irgendwann nahm man sich für mich Zeit. Ich wurde sehr freundlich bedient.
Nachdem alle Formalitäten geregelt waren, begutachtete ich die sanitären Anlagen der Marina: Astrein. Aber die Schüssel ohne Klobrille, typisch italienisch. Ein kleiner Italiener kam mir entgegen und grüßte mich wie ein Römer aus ‚Asterix‘ mit „Ave!“ – Zweifellos, wir waren wirklich auf der anderen Seite der Adria.
Zurück am Schiff war meine Crew bereits ausgehfertig. Wir wollten schauen, was die Stadt für Segeltouristen zu bieten hat: Nicht sonderlich viel. Aber doch mit seinem eigenen mediterranem Charme. Wir hatten grundsätzlich von der italienischen Adriaküste nicht viel erwartet! Der Törn sollte nur dem sportlichen Aspekt der Adria-Überquerung dienen.
Wir schlenderten durch die mit Palmen bepflanzte Hauptstraße, welche mit üppigen Marmorfliesen gepflastert war. Die Häuser verfügten über kleine Balkone mit Fensterläden in den unterschiedlichsten Farben. In einer Seitengasse besichtigten wir eine kleine Kapelle. Etwas weiter gab es eine Burg, an dessen Füßen ein Badestrand anschloss. Die Burg und der Strand sind neben dem Yachthafen auf jeder Ansichtskarte von Manfredonia zu finden. Weiter ging es zu einem Restaurant. Auf einem der Tische im Außenbereich war eine Zapfanlage für frisches Bier installiert. „Die ist gut für Polaris!“, freute sich Morten. Eine fest installierte Zapflager auf unserer Yacht ist sein größter Traum.
Der Wirt schien überrascht über eine Gruppe von sechs jungen Männern. Überhaupt, dass Touristen da sind. Wir bestellten Pizza und ausreichend Bier. Nachdem wir zahlten, stellte der Wirt eine volle Flasche gekühlten Limoncello auf den Tisch. Und dazu kleine Trinkgefäße aus Plastik. Wir waren überrascht und nahmen sie mit. Die Flasche auch. Wir hinterließen zusätzliches Trinkgeld und flanierten weiter durch Manfredonia. Den Abend verbrachten wir in einer kleinen Bar bei Bruscetta und Kaltgetränken.
25. September 2018
Weiter nach Rodi Garganico
Der nächste Tag. Nach dreißig Stunden im Hafen wollten wir am Sporn von Italien gen Norden segeln. Da gab es nur ein Problem: Im Mittelmeer hatte sich ein Medicane gebildet. Dieser sog Luft aus der Adria an – der Wind war für unser Unternehmen entsprechend ungünstig. Weiter südlich wollten wir nicht reisen. Der Rückweg nach Kroatien sollte nicht zu lang werden.
Vor dem Ablegen mussten wir jedoch noch einkaufen. Eine Eisenbahnlinie zwischen Yachthafen und Supermarkt erforderte einen riesigen Umweg.
Angekommen: Der Laden erfüllte jedes Klischee. Eine schöne Auswahl an Weinen und sämtliche Sorten Barilla-Nudeln für siebzig Cent. (Also die Pasta – der Wein war etwas teurer.)
Wir packten den Einkaufswagen schön voll. Den Weg zurück wollten wir nicht zu Fuß bestreiten. Ein Mitarbeiter orderte für uns ein Taxi. Eine schwarze S-Klasse fuhr vor. Der Fahrer trug Nadelstreifenanzug samt Einstecktuch – ein sehr freundlicher Italiener. Skipper René trug Ölzeug.
Er fuhr uns zur Marina zurück, präsentierte stolz die Facebook-Seite seines Unternehmens und zeigte zahlreiche Bilder seines Fahrzeugs, das für eine Hochzeitsfeier üppig dekoriert war. Wir verstauten die Einkäufe und machten die Yacht klar zum Ablegen. Leinen los.
Unter Motor quälten wir uns am Sporn entlang. Strömung und Wellen waren – wie erwartet – so stark, dass wir lediglich im Mittel 3,5 Seemeilen pro Stunde über Grund fuhren, um ein Aufstampfen zu verhindern. Hohe, kurze Wellen schaukelten uns gut durch. Als wir das „Cap“ Stunden später bei Vieste passierten, wurde es deutlich besser. Unser Ziel: die Stadt Rodi Garganico, gelegen an der nördlichen Seite des Sporns. Sie bot einen modernen Hafen für Sportboote.
Wir liefen bei angebrochener Dunkelheit ein und wurden von zwei freundlichen Italienern empfangen. Einer von ihnen stellte sich später als Geschäftsführer des kleinen Hafens vor. Wir konnten längsseits anlegen, da auch hier nichts los war. Der Preis pro Nacht: 40 €. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, in den Appartements der Marina zu nächtigen, lehnten jedoch dankend ab.
Wir spazierten an der Marina entlang. Auch hier gab es die ein oder andere Nobel-Boutique – man fragte sich ernsthaft, wer hier einkaufen sollte.
Rodi Garganico liegt etwas erhaben auf einem Felsen über dem Meer. Die Treppen hinauf fanden wir eine hübsche Bar mit Blick auf das vom Mond beschienene Wasser. Wir genehmigten uns ein Getränk.
Weiter in die Stadt, durch kleine, verschnörkelte Gassen, stellten wir fest: insgesamt sehr hübsch, mit verschlafenem italienischen Charme. Die Häuser verfügten über kleine Balkone mit grünen oder braunen Fensterläden. Im Zentrum des Örtchens befand sich ein Springbrunnen, der sich nicht so recht einfügen wollte. Am Rande fanden wir eine kleine Pizzeria. Der deutschsprachige Wirt wollte schon abschließen, fachte seinen Ofen aber noch einmal an und stellte uns eine ordentliche Karaffe Weißwein auf den Tisch. Der Wein schmeckte herrlich, und die Pizzen konnte man zweifelsfrei als traditionell italienisch bezeichnen. Sie waren fantastisch.
Stunden später fanden wir uns auf der Polaris wieder. Zuvor warf ich noch einen Blick in die sanitären Anlagen der Marina: ebenfalls sehr modern und sauber. Warum sollten sie auch schmutzig sein? Wir waren auch hier die einzigen Gäste.
Ab in die Koje – am nächsten Tag sollte es zu den Tremiti-Inseln gehen. Hoffentlich wieder unter Segel.
26. September 2018
Der Tag begann sonnig und warm. Der Herd war kalt. Er machte keine Flamme! Dabei waren die Brenner erst wenige Wochen zuvor in Dubrovnik getauscht worden. Wir standen vor einem Rätsel – die Flasche war doch voll! Gut, wenn man einen Gas-Wasser-Installateur an Bord hat. Morten schaute sich das System an und hatte den Fehler schnell gefunden: Der Druckminderer war das Problem – er ließ gar kein Gas mehr durch!
Das stellte uns vor ein Problem: Wir hatten ein französisches System auf der Yacht. Ob wir ein passendes Ersatzteil in Italien finden würden? Der Mechaniker der Marina konnte uns nicht helfen, fuhr uns aber zu einem Händler. Leider hatte auch dieser kein passendes Ersatzteil.
Enttäuscht begab ich mich zurück zur Yacht. Ich überlegte, einen einfachen Kocher zu besorgen. Den Rest des Törns eine kalte Küche zu haben – ausgeschlossen. Das Bier war doch schon kalt genug!
Strahlend empfing mich Morten: Unser ehrenamtlicher Installateur hatte zwischenzeitlich den Druckminderer wieder auf Vordermann gebracht – und die Flammen waren stärker denn je! Die Reste der Pizza vom Vorabend waren zügig aufgewärmt. Der Druckminderer schien die letzten Jahre schon in den letzten Zügen gewesen zu sein. Jetzt funktionierte er wieder, und ein voller Topf Wasser war binnen Minuten am Kochen. Trotzdem drehten wir sicherheitshalber nach jeder Nutzung die Flasche ab – und selbstverständlich tauschten wir das Teil nach der Reise aus. Auf der Polaris ist ein Gas-Detektor installiert – aber Sicherheit geht immer vor.
Wir legten zufrieden ab und segelten zu den Tremiti-Inseln. Wie soll man sie beschreiben: drei Felsen im Meer, fünfzehn Seemeilen von der Küste entfernt. Auf einer der Inseln befand sich ein Anleger für Ausflugsboote samt kleiner Konoba, auf einer anderen ein altes Kloster. Die dritte im Bunde war unbewohnt. Bei unserer Ankunft setzte bereits die Abenddämmerung ein. Das Kloster erleuchtete die Umgebung.
Dort angekommen, fanden wir das in Revierhandbüchern versprochene Bojenfeld. Ralf schlug ein neues Manöver zum Festmachen vor: Das Ende einer Leine wird an der Backbord-Klampe am Bug befestigt, das andere Ende zum Heck geführt. Vorwärts gegen den Wind zur Boje fahren. Das Ende von der Badeplattform aus durchfädeln (ein Vorteil, wenn man den passenden, offenen Spiegel hat!) – und warten, bis die Yacht wieder vom Wind zurückgetrieben wird. Ralf begab sich mit dem freien Ende der Leine entspannt zum Bug und befestigte es auf der Steuerbordseite. Fertig!
Der entscheidende Vorteil: Man muss sich durch die bereits erfolgte, einseitige Befestigung der Leine nicht quälen! Wie viele Manöver scheiterten daran, dass die Last so hoch wurde und die Yacht nicht mehr gehalten werden konnte?
Jetzt noch ein Anleger-Schnaps, Bier, Abendessen. Ein gelungener Tag ging zu Ende.
Gegen neun Uhr waren fast alle Crew-Mitglieder wach. Co-Skipper Philipp döste noch einen Moment in seiner Hängematte, die er zwischen Vorstag und Mast gespannt hatte.
Nach dem gemeinsamen Frühstück beschlosasen Julian und Henning, zum Kloster zu schwimmen. Ob dort Bier gebraut wurde? Auf halber Strecke – sie waren gewiss bereits zehn Minuten unterwegs – kam ein Ausflugsboot angedampft. Ein Schnellboot vom Anleger aus machte sich ebenfalls auf den Weg, um die Schwimmer zu verscheuchen.
Der für das Leib und Leben seiner Crew verantwortliche Skipper hatte das Unglück bereits nahen sehen: Leinen los! Wir fuhren unseren Freischwimmern entgegen, um sie aufzulesen. Alles gut gegangen.
Wir drehten eine Runde um die Tremiti-Inseln und segelten nach Termoli. Bereits am Tag zuvor hatte ich mich informiert, ob es möglich sei, dort Kraftstoff zu bekommen. In Manfredonia und Rodi Garganico hatten die Tankstellen bereits geschlossen. Oder nie geöffnet?
Das Telefongespräch hatte sich äußerst schwierig gestaltet. Wir brauchten vor der Überfahrt nach Kroatien noch unbedingt Treibstoff. Zwar hatten wir bisher nur wenig Diesel verbraucht – vielleicht fünfzig Liter –, doch bei diesem Vorhaben sollte der Tank samt Reserve randvoll sein.
Ich versuchte es mit Englisch. Es war hoffnungslos. Der verzweifelte Italiener am anderen Ende der Leitung tat sein Möglichstes, aber er konnte keine Silbe Englisch – geschweige denn Deutsch.
„I need fuel! FUEL… F – U – E – L!“ – Auch ein italienisch-melodisches „♫Gazoline♫“ brachte keine erhoffte Information. Ich brach das Gespräch ab. Zur Not holen wir eben Diesel von einer Tanke im Ort! Doch wenige Minuten später kam ein Rückruf: Eine freundliche Stimme teilte uns im perfekten Englisch mit, dass wir selbstverständlich willkommen seien und Diesel tanken könnten.
Gegen 14 Uhr kam es zu einem erfreulichen Ereignis: Co-Skipper Philipp machte seine tausendste Meile voll. Er hatte vor unserer Reise erfolgreich die theoretische Prüfung zum Schweizer Hochsee-Schein abgelegt. Danach war es seine Aufgabe, tausend Meilen zu sammeln und diese vom Skipper dokumentieren zu lassen. Das war für mich eine Menge schriftliche Arbeit – aber ich erledigte sie gern. Der Schein hat definitiv noch Anspruch. Hoch am Wind musste auf dieses Ereignis natürlich mit einem alkoholfreien klaren Getränk angestoßen werden. Herzlichen Glückwunsch!
Wir erreichten eine Stunde später Termoli und fuhren in das äußerst flache Hafenbecken des hübschen Sporthafens ein. Unweigerlich fühlte ich mich an eine Marina aus der Ostsee erinnert, wo ich Jahre zuvor meinen SKS ablegte.
Wir dampften zunächst zur Tankstelle – ein Steg von vielleicht zehn Metern Länge. Die einzige Möglichkeit war, unter Buganker rückwärts anzulegen. Bei dem Crosswind im Hafen war mir das jedoch zu riskant. Wir hatten dieses Manöver auch noch nicht geübt. Also direkt zu unserem Liegeplatz. Ein freundlicher Italiener reichte uns eine Mooring – wir machten fest. Limoncello als Anleger.
So schön wie es an einer Boje oder vor Anker ist – fester Boden nach zwei Tagen ist herrlich.
Unser Helfer brachte mich mit seinem Pkw zum Büro des Hafenmeisters. Es war mit Fischernetzen, Miniatur-Segelbooten, zahlreichen Piktogrammen aus der Seefahrt sowie hübschen Bildern dekoriert. Wahrlich ein Hafen für echte Segelsportler! Ich bezahlte sechzig Euro für die Nacht.
Zwischenzeitlich hatte Henning – seines Zeichens Freizeitsportler – zweimal meinen 30-Liter-Dieselkanister von der Tankstelle zum Schiff getragen. Die Strecke betrug gewiss je 800 Meter!
Wir machten es uns im Cockpit gemütlich, schlürften das letzte kroatische Dosenbier und genossen den herrlichen Grappa aus Milna (Brač). Das Wetter sollte sich am Abend verschlechtern. Der Medicane zog wieder an. Wir besprachen unser Vorgehen. Noch hatten wir volle fünf Tage. Doch bei der Wetterlage schien es schlauer, am Folgetag wieder nach Kroatien überzusetzen. Und da fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Wir hatten noch kein Eis gegessen!
Dabei war das Vorhaben, nach Italien zu segeln, ein Jahr zuvor aus dem Wunsch nach einem leckeren Eis geboren worden – am Steg in der ACI-Marina Dubrovnik, nachdem wir die kroatische Küste in gut vier Tagen von den Kornaten bis Dubrovnik besegelt hatten.
So machten wir uns auf die Suche nach einer Eisdiele. Wir flanierten durch Termoli. Die Stadt gefiel uns: alte Gebäude, kleine Gassen, italienischer Charme. Auch sie ragte über das Meer, und der Ausblick war herrlich. An einem zentralen Platz fanden wir eine Eisdiele. Wir tranken Paulaner-Weißbier und bestellten ordentliche Eisbecher. Auf Bananensplit schien der nette junge Wirt in Lederjacke jedoch gar nicht vorbereitet zu sein. Wir warteten äußerst lange auf unser Eis. Und das hatte seinen Grund: Etwa eine Viertelstunde später sahen wir ihn mit einer Plastiktüte Bananen zu seiner Eisdiele zurückstiefeln. Was für ein Service! Hier geht man für seine Gäste noch einkaufen. Das Eis schmeckte herrlich.