Aufbruch nach Korfu
Teil 1 | Die Reise wird vorbereitet
von René Schäfer
Erstveröffentlicht am 07. Mai 2019
Letztes Lektorat am 22. Juli 2025
Vorbereitungen in Milna (Brac) in Kroatien
Viele ereignisreiche Tage liegen hinter uns. Mittlerweile ist unsere Yacht wieder im Wasser. Der Reihe nach:
Die Yacht wurde am Freitag – entgegen der Absprache – drei Stunden später gekrant. Der Kranbereich des Steges war hoffnungslos mit Tagesliegern überfüllt. Das war zu befürchten.
Natürlich wäre es uns grundsätzlich egal gewesen. Leider erschien der Sachverständige der Firma Hrvatska Registar Brodova pünktlich wie angekündigt um 11:00 Uhr zur turnusmäßigen, verpflichtenden Überprüfung des Unterwasserschiffs. Am Vortag hatte er bereits angekündigt, lediglich bis 12:30 Uhr bleiben zu können, falls es Probleme mit den Abläufen geben sollte.
Er hatte Verständnis für die Situation, schien den Verzug erwartet zu haben, und begab sich mit seinem Laptop in eine Konoba, um anderen schriftlichen Arbeiten nachzugehen. Ich habe die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter des Unternehmens immer als kooperativ und kundenorientiert empfunden. Das bestätigte sich auch an diesem Tag erneut.
Gegen 13:00 Uhr war es soweit: Wir fuhren die Yacht längsseits an den nun freigewordenen Steg. Vier Mitarbeiter bereiteten routiniert alles vor. Wir gingen von Bord und beobachteten diese seltene und spannende Prozedur. Zwei große Gurte wurden unter dem Rumpf durchgezogen, das Achterstag wurde gelöst.
Kranführer „Maksi“ startete den Kran, der fortan die Kulisse mit einem lauten Dröhnen beschallte. Die Gurte wurden eingehängt.
Zentimeter für Zentimeter wurde die Yacht aus dem Wasser gehoben.
Der Zustand des zwei Jahre alten Antifoulings war noch erstaunlich gut. Nur eine Handvoll Muscheln und Seepocken hatten sich am Rumpf festgesetzt. Der Törn im vergangenen Spätherbst, der nach Italien und zurück führte, hatte offenbar einige Meeresbewohner bereits abgewaschen.
Die Yacht schwebte an uns vorbei und wurde auf dem Trockendock abgesetzt – der Kiel auf dem Block, flankiert von stützender Konstruktion. Ohne diese seitliche Stabilisierung würde der Rumpf stark beschädigt werden.
Der Sachverständige machte sich auf den Weg und begutachtete mit strengem Blick das Schiff. Zuerst stellte er sich fünf Meter vor den Bug – als wolle er prüfen, ob Polaris sichtbar „verbogen“ sei. Er kontrollierte die Bordwanddurchlässe, den Kiel und das Ruderblatt. Im Schiff unter anderem die Seeventile.
Beanstandet wurde lediglich eines davon, dessen Anstoßpunkt verbogen war – sodass man es überdrehen konnte.
Einer meiner Crewmitglieder hatte das „Seeventile schließen“ im letzten Jahr etwas zu sportlich genommen. Wir hatten es ohnehin auf der Reparaturliste, sodass die Abnahme bestanden war.
Nach einem Mittagessen und einem Šljivovica auf die erfolgreiche Abnahme begannen wir mit den Vorbereitungen für den Antifouling-Anstrich. Der Rumpf war bereits – im wahrsten Sinne – mit Hochdruck gereinigt worden. Mit Schleifmaschinen besserten wir einzelne Stellen aus und verpassten der Yacht die erste von drei Schichten Antifouling.
Auch die Reinigung und das Polieren des Gelcoats sollten uns die kommenden Tage noch beschäftigen.
Am Samstag goss es ab Mittag aus Kübeln. Wir gönnten uns eine halbtägige Pause – bei kaltem Ožujsko und gebratenem Fisch in einer kleinen Konoba unweit unserer Yacht. Am Abend schauten wir eine Dokumentation über einen Törn von Split nach Albanien. Urheber dieses Videos und gleichzeitig Skipper des Törns war Christian Winkler. Begleitend dazu gibt es einen ausführlichen Törnbericht, der uns im Vorfeld viele offene Fragen beantwortete und die Reise gewiss vereinfachen wird.
Diese Dokumentation kann ich nur wärmstens empfehlen.
Unsere Yacht ist auch zufällig in einer Sequenz zu sehen.
Am Nachmittag erschien ein örtlicher Metallbauer: Andro. Mit ihm hatten wir schon viele gute Erfahrungen gemacht. Er sollte unsere Ankerwinsch reparieren. Nach zwanzig Jahren hatte sie bei Benutzung Spiel bekommen – sie schlackerte leicht unter Last. Das war kein Zustand. Wir ließen sie instand setzen.
Andro hatte bereits in der Vorsaison vorgeschlagen, die Schrauben abzutrennen und durch größere zu ersetzen, da die Löcher ziemlich ausgenudelt waren. Er ist ein Genie in seinem Fach, arbeitet mit Leidenschaft und versucht, das Unmögliche möglich zu machen.
Die Winsch war schon am Donnerstag ausgebaut worden. Heute sollte sie wieder an Bord.
Habt ihr schon einmal eine Winsch angehoben – und in eine Yacht auf dem Trockendock verbracht?
Wir nahmen eine große Festmacherleine. Andro band sie ringsum, kletterte die Leiter hoch und hob sie geschwind auf das Deck – ohne dass sie gegen das kostbare Gelcoat schlug.
Am Sonntag ging es weiter. Das Wetter spielte mit. Die zweite Schicht Antifouling wurde aufgetragen, der Rumpf gründlich gereinigt. Die Yacht sollte für die lange Auslandsreise besonders schön aussehen.
Am Montag war Rasmus wieder gegen uns. Es regnete immer wieder. Polieren bei Regen funktioniert nicht. Eigentlich sollte an diesem Tag das Boot ins Wasser. Wir verschoben den Termin auf den Folgetag – und nutzten jeden sonnigen Abschnitt, um das Wachs aufzutragen. Trotz der schwierigen Bedingungen waren wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Polaris zurück im Wasser
Am heutigen Morgen sollte die Yacht bei schönem Wetter wieder ins Wasser. Nach dem Einhängen der Gurte schwebte sie majestätisch zurück über die Adria. Zentimeter für Zentimeter ließ Kranführer Maksi die tonnenschwere Yacht langsam ins Wasser.
Als sich die Gurte lockerten und Polaris wieder schwamm, eilte mein Vater zum neuen Seeventil in der Nasszelle im Bug: Alles dicht.
Wir verlegten die Yacht und gingen an eine Mooring. Es herrschten starke westliche Winde mit etwa 25 Knoten. Der Hafen ist völlig ungeschützt. An der Mooring liegend wird man in Milna an den meisten Liegeplätzen bei dieser Wetterlage quer getroffen.
Die restlichen Arbeiten an der nun wieder im Wasser liegenden Yacht waren daher deutlich erschwert. Die Wellen schlugen an den Rumpf, die Polaris schaukelte sich stark auf.
Andro erschien kurz darauf – pünktlich wie besprochen. Er hatte über das Wochenende das gesamte Gestänge des Biminis verbessert. Durch einen Sturmschaden im letzten Sommer – eine Windhose im Heimathafen Maslinica – war es stark verbogen und unansehnlich.
Auf dem Trockendock stehend sollte das große, unhandliche Gestänge jedoch nicht wieder aufgebaut werden.
Wir versuchten, das Gestänge auf die Yacht zu befördern. Die Polaris schaukelte und schaukelte.
Andro ging dabei auch unfreiwillig einmal baden. Zum Glück unverletzt.
Aber anstatt nach Hause zu fahren und sich umzuziehen, setzte er durchnässt seine Arbeit fort.
Wer mal in Milna auf Brač ist und einen zuverlässigen Metallbauer sucht, der Unmögliches mit Enthusiasmus möglich macht:
Fragt nach Firma Bobica!
Nach Split und wieder zurück
In Milna auf Brač waren alle Arbeiten erledigt. Wir sollten heute die Yacht zur Marina Zenta in Split fahren. Dort musste noch das ein oder andere Ersatzteil besorgt werden, das es auf Brač nicht gab.
Der starke Westwind ließ nur eine Option zu, um aus der Box zu kommen: Eindampfen in die Backbord-Achterleine. Die Steuerbord-Achterleine im Lee war bereits gelöst. Ich ließ den Motor an, blockierte das Steuerrad und gab nach vorne Gas, bis sich meine Nase langsam in Richtung Luv bewegte. Ich ging zum Bug und löste die Mooring. Lars machte währenddessen die Achterleine auf Backbord klar. Wir dampften mit halber Maschine in die Achterleine.
„Achterleine los!“ – Die Polaris rauschte aus der Box, ohne in Gefahr zu kommen, in einer der Moorings der Nachbaryachten zu geraten.
Aus dem Hafen heraus wollten wir den Westwind nutzen, um mit einem schönen Halbwindkurs in Richtung Split zu fahren. Zunächst setzten wir das gereffte Rollgroß.
Der Wind kam in Böen mit dreißig Knoten. Die Yacht lief mit sechs Knoten Fahrt. Später setzten wir noch die Genua – ebenfalls gerefft –, sodass wir letztlich eine konstante Fahrt von sieben Knoten hatten. Ein Gefühl von Urlaub machte sich breit. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits fast eine Woche geschuftet!
Wir kamen kurz nach Sonnenuntergang in Split an. Nach einer kleinen Hafenrundfahrt fuhren wir zur östlich liegenden Marina Zenta. Mit eingeschalteten Navigationslichtern und ausgebrachten Fendern fuhren wir zu einem freien Liegeplatz und legten die Yacht an eine Mooring. Der Marinero ließ nicht lange auf sich warten. Wir zahlten für drei Nächte und gingen erstmal etwas essen. Nebenbei flimmerte das Halbfinale des Fußballspiels zwischen Liverpool und Barcelona auf einem Fernseher an der Wand. Liverpool hatte es tatsächlich geschafft, die hohe Niederlage des Hinspiels zu egalisieren und zog ins Finale der Champions League ein.
Die behördliche Prüfung unserer Yacht erfolgte am nächsten Mittag. Das notwendige Zertifikat wurde ausgehändigt. Lars und ich mussten jedoch erneut nach Milna, um noch eine Kleinigkeit reparieren zu lassen. Das eigentliche Ziel war Maslinica auf Šolta, unser Heimathafen. Wir fuhren mit Kurs 180° die gleiche Strecke unter Motor zurück, aus der wir drei Tage zuvor gekommen waren.
Das Wetter war schön. Wir saßen in der Plicht, als unweit der Marina Vlaška bei Milna eine starke Vibration unser Schiff erfasste! Ich schaltete die Maschine reflexartig in den Leerlauf. Wir schauten achtern aus: Eine große, zerfetzte Mülltüte schwamm hinter der Yacht! Was für ein Mist. Vor allem, weil wir nah an der Küste fuhren und der Ostwind uns an sie herandrückte. Natürlich können wir segeln. Der Wind war aber sehr schwach, und die Welle hätte uns zwangsläufig branden lassen.
Tauchen kam nicht in Frage, dafür war keine Zeit – wir hatten vielleicht nur noch einhundert Meter Abstand zur Insel. Ich legte vorsichtig den Vorwärtsgang ein und stellte fest, dass die Yacht bei langsamer Fahrt fast ohne Vibrationen problemlos fuhr. Glück gehabt.
Wir kamen sicher zur Tankstelle in Milna. Ich tauchte unter das Schiff und zog die Überreste der zerfetzten Tüte vom Saildrive. Nach einer kleinen Reparatur durch Thomas Sauer (Problemlöser in Milna, die Telefonnummer kann bei mir erfragt werden) fuhren wir unter Maschine nach Maslinica auf Šolta. Es herrschte leider Flaute. Wir genossen den Sonnenschein. Lars hatte vor der Abfahrt noch zwei Lasagnen aus der Pizzeria Slika besorgt. Wir kamen endgültig in den Urlaubsmodus und trafen gegen 19 Uhr in Maslinica ein.
Heute holen wir den Rest der Crew ab. Es ist noch schönes Wetter. In den kommenden Tagen erwarten wir aber eine schwere Jugo, was unser Vorhaben, nach Korfu zu reisen, vermutlich erstmal verzögern wird.