Aufbruch nach Korfu

Teil 2 | Gen Dubrovnik

von René Schäfer

Erstveröffentlicht am 16. Mai 2019

Lektorat am 22. Juli 2025

14. Mai 2019

Aufgrund des kräftigen Ostwinds liegen wir frustriert bei Vrboska vor Anker.

Nach vier Reisetagen haben wir von den etwa 320 Seemeilen bis Korfu gerade einmal zwanzig zurückgelegt. Der Wind soll noch bis morgen aus der falschen Richtung wehen. An Aufkreuzen ist nicht zu denken.

Der Reihe nach:

Am Samstagnachmittag fuhren Lars und ich bei Sonnenschein zur Marina Baotić nach Trogir-Seget. Dort sollte die restliche Crew zusteigen. Als wir die westliche Tonne bei der Halbinsel Trogir umschifften, war das Donnern einer im Landeanflug befindlichen Maschine deutlich zu vernehmen. Wir reckten die Hälse, als sie mit unserer restlichen Besatzung über der Polaris hinwegflog. Mir gelang noch ein Foto. Das nicht zu übersehende „Holo“ schien ein Vorzeichen für die bevorstehende Wetterverschlechterung zu sein.
Wir setzten Kurs auf die Marina Baotić und legten wenig später längsseits an der Tankstelle an, wo die restliche Crew bereits sehnlichst auf uns wartete. Sabrina und die Zwillinge Philipp und Julian verstauten nach dem freudigen Wiedersehen ihre Habseligkeiten. Mit einem kühlen Getränk in der Hand segelten wir zurück nach Maslinica – ein herrlicher Tag, der bei einem guten Abendessen und kühlen Getränken in Georgs Taverne ausklang.

Am Sonntagmorgen setzte eine starke Jugo ein – ein starker, südöstlicher Wind. Unser Ziel Korfu lag ausgerechnet in südöstlicher Richtung. Die Wetterlage sollte sich in den nächsten Tagen nicht wesentlich ändern. Was für ein Schlammassel.

Am Vorabend hatten wir noch überlegt, ob wir es wagen sollten, nach Vis zu segeln. Die Idee wurde verworfen. Das Wetter war in den Morgenstunden so unbeständig, dass wir beschlossen, bis mittags zu warten. Die Zeit nutzten wir für einen großzügigen Grundeinkauf in Grohote. Unser Freund Tonči lieh uns dafür seinen Golf.

Nachdem der Einkauf verstaut war, fiel der Entschluss, es wenigstens bis Milna auf Brač zu schaffen. Tonči half uns beim Ablegen. „Gute Reise!“, rief er, stieg in seinen Golf und brauste unter dumpfem Grollen davon. Die Abgasanlage seines legendären Fahrzeugs stand schon länger auf der Reparaturliste.

Mit langsamer Fahrt liefen wir aus dem vor der Jugo geschützten Maslinica hinaus. Wir wollten nördlich an Brač vorbeisegeln. Doch auch hier machte uns die Jugo einen Strich durch die Rechnung. Sie blies in Spitzen mit bis zu vierzig Knoten. Es regnete in Strömen. Wir versuchten aufzukreuzen, wurden jedoch so sehr abgetrieben, dass unser wahrer Kurs nach der ersten Wende in Richtung Trogir zeigte. Mit einer kleinen Genua liefen wir fast sieben Knoten. Gegen Wind und Welle zu motoren war keine Option. Wir ergaben uns dem Wetter und segelten mit Halbwind in Richtung Trogir, wo wir in einer geschützten Bucht unseren Anker auf fünf Meter Wassertiefe setzten. Es war gerade einmal 13 Uhr, als wir den ersten Tag im Salon feierlich beendeten. Die Gesamtstrecke war nun um fünf Seemeilen gewachsen – sei’s drum. Nach dem Abendessen (Gnocchi mit hausgemachter Bolognese) fielen wir bierseelig in die Kojen.

Am nächsten Morgen fuhren wir unter Motor Richtung Split. Zwei Crewmitglieder stellten fest, dass sie dringend Ölzeug benötigten. Wir setzten sie an der „Riva“ ab. Co-Skipper Philipp – frischgebackener Scheininhaber – fuhr währenddessen ein paar Manöver im Hafenbecken, um sich mit der Polaris vertraut zu machen. Die übrige Crew kehrte vollbepackt mit Taschen eines bekannten Segelbekleidungs-Ausrüsters zurück. Das Ölzeug sollte sich als sofort nützlich erweisen: Es regnete wieder in Strömen, bei schwachen nördlichen Winden. Unser kleingestecktes Tagesziel war Vrboska auf Hvar.

Vrboska ist ein wirklich schönes Örtchen und immer eine Reise wert. Praktischerweise habe ich dort Freunde, die sich bereit erklärten, unsere Sachen zu trocknen. Wir segelten mit etwa fünf Knoten Fahrt in Richtung Brač. Es regnete erneut in Strömen. Das Wasser floss in Rinnen am Gestänge des Bimini entlang. Das neue Ölzeug erfüllte direkt seinen Zweck.

Wir beschlossen, in Milna Halt zu machen, um bei Dario in der Pizzeria Slika eine Pizza zu essen. Gleichzeitig konnten wir uns dort aufwärmen – und auf besseres Wetter hoffen. Wenige Meilen später zeigten sich tatsächlich die ersten Sonnenstrahlen hinter dem wolkenverhangenen Himmel. Was für eine Wohltat nach zwei Regentagen! Endlich auch die Gelegenheit, bei Flaute die Segel zu trocknen. Gut gelaunt legten wir in Vrboska an und verbrachten einen schönen Abend. Am nächsten Morgen sollte es weitergehen – wir wussten, dass noch ein weiter Weg vor uns lag. Unser Tagesziel: Dubrovnik.

Eigentlich.

Es war eine starke Bora vorhergesagt – und sie kam wie angekündigt, mit voller Wucht. Wir warteten bis mittags. Unser Ziel wurde auf Korčula eingedampft.
Kaum hatten wir die geschützte Hafeneinfahrt verlassen, lagen draußen bereits Böen um die zwanzig Knoten an. Als wir um eine Kurve fuhren und auf die offene Adria blickten, war schnell klar, was sich dort abspielte: Die Gischt schäumte, hohe Wellen türmten sich auf.
Bis zu diesem Punkt waren wir noch im Schutz des Landes. Doch als wir das letzte schützende Stück Hvar passierten, wurden wir richtig durchgeschüttelt: Etwa vier Meter hohe Wellen überspülten die Polaris immer wieder. Die See klatschte gegen die Bordwand, der Motor röhrte, der Kurs war kaum zu halten.
Es lagen noch gut fünfzehn bis zwanzig Meilen bis zur östlichen Spitze von Hvar vor uns. Unsere Fahrt über Grund sank von sechs auf vielleicht vier Knoten. Der Wind lag konstant bei 35 Knoten, mit Böen bis zu fünfzig.

Wir trafen die einzig richtige Entscheidung: Rückzug.

In einer Bucht unweit der Hafeneinfahrt von Vrboska warfen wir den Anker. Von dort konnten wir beobachten, wie eine Yacht nach der anderen in die hohen Wellen fuhr – und schließlich ebenfalls umkehrte. Einige kamen zurück nach Vrboska, andere warfen Anker neben unserer Polaris.

Natürlich warfen uns die Ereignisse weiter im Zeitplan zurück. Aber heute Nacht soll sich das Wetter bessern.

Wir werden sehen.

15. Mai 2019

Um 05:30 Uhr weckte mich Co-Skipper Philipp mit der erfreulichen Nachricht, dass der Wind eingeschlafen war – und sogar leicht gedreht hatte. Wir lichteten den Anker und fuhren in die Dämmerung, Richtung östliche Spitze von Hvar. Zwischenzeitlich konnten wir sogar segeln. Als das Kap passiert war und wir südwestlich Kurs nahmen, setzte – wie gerufen – ein ordentlicher Ostwind ein. Mit raumem Wind kam die Polaris auf gut neun Knoten Fahrt. Die Etappe bis zur westlichen Spitze von Pelješac legten wir in anderthalb Stunden zurück. Zur „Kneza“-Bucht auf Korčula ging es hoch am Wind weiter. Im Kanal von Pelješac schlief der Wind jedoch ein, und wir beschlossen, eine Mittagspause in Korčula einzulegen. Zu diesem Zeitpunkt herrschten auf der Etappe Korčula–Dubrovnik ohnehin östliche Winde, die uns zum Kreuzen gezwungen hätten. Bei einer Gesamtdistanz von 45 Seemeilen war das keine Option.

Wir riefen die ACI Marina Korčula über Kanal 17. Wir durften zwar rein, müssten aber für einen ganzen Tag bezahlen (!). Wir verabschiedeten uns freundlich und fuhren zur Marina Lumbarda, etwa vier Seemeilen südwestlich von Korčula. Die Polaris war dort schon oft zu Gast – ich wusste, dass ein kurzer Aufenthalt in der Regel kein Problem ist. Ein freundlicher Marinero teilte uns telefonisch mit, dass wir kostenlos liegen könnten, solange wir keinen Strom oder Wasser benötigen. Nach einem kurzen Einkauf verließen wir Lumbarda und setzten Kurs auf Dubrovnik. Der Himmel klarte auf, und die Sonne kam heraus.

Bei Flaute tuckerten wir Richtung Dubrovnik. Da der Tag inzwischen weit fortgeschritten war, entschieden wir, die letzten zehn Seemeilen am nächsten Tag zurückzulegen. Im Hafen Šipanska auf der gleichnamigen Insel gingen wir gegen 21:00 Uhr an die letzte freie Mooring. Die Hafengebühr betrug 350 Kuna – derselbe Betrag, den ich auch in den Vorjahren bezahlt hatte.

16. Mai 2019

Heute Morgen ging die Reise bei schönem Wetter um 08:30 Uhr weiter. Da wir unbedingt Dubrovnik besuchen wollten, warfen wir den Anker etwa eine Viertel Seemeile vor der Stadt. 40 Meter Kette bei zwölf Metern Wassertiefe sollten ausreichen. Ich sicherte die Kette zusätzlich mit einer Ankerkralle, um die Ankerwinsch zu entlasten. Wir machten das Dingi klar und setzten über. Ich hatte an dieser Stelle schon öfter Yachten vor Anker gesehen – auch wenn die Revierhandbücher und Seekarten sich hinsichtlich der Legalität widersprechen. Von einem anderen Segler erfuhr ich, dass es kein Problem sei, solange man nicht unbedingt mit dem Dingi direkt in den Altstadthafen tuckert. Wir stiegen an einem Café etwas östlicher aus. Der Wirt erlaubte mir, das Dingi dort zu „parken“.

In der prächtigen Stadt Dubrovnik angekommen, ging es natürlich auf die „Dubrovnik Walls“ – ein Erlebnis, das ich jedem empfehlen kann. In der Hauptsaison ist dort alles überfüllt, heute hielt es sich in Grenzen. Die Ticketpreise liegen mittlerweile bei 200 Kuna – ein saftiger Anstieg um fünfzig Kuna im Vergleich zur Vorsaison.

An der höchsten Stelle angekommen blickten wir über die roten Dächer hinweg auf die Adria. Die Polaris war gut zu sehen. Ihr Heck hatte sich aufgrund des auflandigen Windes entsprechend ausgerichtet.

Nach einem kleinen Snack ging es zurück an Bord. Das Dingi kam wieder an Deck, der Anker wurde aufgeholt. Ziel: Cavtat. Dort mussten wir ausklarieren. Wir setzten Flagge Q und legten an der freien Zollpier an. Ich ging mit den Bootsdokumenten und der amtlichen Crewliste zum Büro des Hafenmeisters. Ein Polizist – Herr Korupti – wickelte alles zügig ab und stempelte die Crewliste. Zielhafen: Zelenika, Montenegro. Bei schönem Wetter sollten wir gegen 21:00 Uhr ankommen. Der erste von drei Länderwechseln stand bevor. Für ein paar Tage würde die Flagge Montenegros unterhalb der Sailing wehen.

Bonus - Kapitel

Ein Kommentar erreichte uns noch, vom leibhaftigen Edmund Stoiber, in Kooperation mit einem GPT – Als Zugabe für den gewillten Leser:

„Also wenn Sie, ähh – wenn Sie bei 35 Knoten Wind, plus Böen!, ähh… rausfahren aus, aus Maslinica… und Sie haben ja noch kein Ölzeug – dann müssen Sie ja wissen, dass das, äh, nicht mehr segelbar ist.

Also, da fahren Sie los, ja, ab Maslinica, und der Wind, der kommt, äh, der kommt ja nicht nur, äh, quer, der kommt ja auch von vorne, und wenn Sie dann da mit fünf Knoten Fahrt – oder, oder auch nur fünf Minuten Fahrt, ja – ähh, rauskommen, dann sind Sie, zack!, in Trogir… obwohl Sie doch eigentlich nach Korfu! wollen.

Und wenn Sie in Trogir sind, ähh, dann… dann sind Sie ja nicht mehr auf Kurs – weil der Kurs, der war ja eigentlich, äh… Dubrovnik, oder?!

Also da muss man sich mal überlegen: Wenn man dann in Split ist, um Ölzeug zu holen – was ja richtig ist! –, aber das macht einen Umweg, ja, und dann sagt der Autopilot, ähh, keine Route aktiv, und der Steuermann sagt: Was ist jetzt eigentlich der Plan?

Und da sag ich Ihnen: Der Plan ist – der Plan ist, dass man erst das Wetter anschaut! Dann das Ölzeug! Und dann – vielleicht! – dann segeln!

Weil wenn Sie nicht wissen, ob Sie in Milna oder in Vis oder, ähh, vielleicht sogar schon wieder in Maslinica sind – dann weiß ja keiner mehr, äh, wo eigentlich vorne und hinten ist auf dem Schiff!

Und das ist dann der Moment – da fahren die Leute rückwärts nach Korfu!“