Unser treuer Penta.
Zeitraum: April 2021
Vorwort vom 28. März 2025
Bei diesem Törn von Morten, Philipp und mir geht es um Bora, streikenden Motoren und abschleppenden Schiffen und Freundschaften in Milna.
Er lag wohlbehütet im Archiv.
Um den Einstieg in den Kontext zu erleichtern: Die Woche zuvor haben Wilfried und ich einiges am Schiff geschraubt, um sie fit für die Saison zu bekommen.
Wilfried ist bereits auf der Rückreise, ich fuhr mit Polaris nach Split, um Philipp abzuholen.
Schnallt euch an, es geht jetzt los:
17. April 2021
Die Fahrt zum Anleger beim Flughafen Kastela gestaltete sich unproblematisch und erfolgte mangels Wind mittels Motor. Nach einer aufwendigen Wartungswoche genoss ich sie in vollen Zügen und begab mich den Niedergang zum Radio hinab, um die Lautstärke aufzudrehen. An der Kühlbox kam es zwecks Erfrischung zu einem Zwischenstopp.
Zurück auf Deck stand ich zufrieden beim Mast, stützte meine Unterarme leicht auf den Baum ab und sah fern am Horizont bei Supetar die Umrisse einer Autofähre der Jadrolinija, auf welcher mein Vater samt Passat einen Platz bekam. Er stand gewiss schon auf dem Sonnendeck, während er die Aussicht mit einem schönen gekühlten Getränk genoss. Vermutlich kreuzten sich gerade unsere Blicke und wahrscheinlich erhoben wir in diesem Moment auch unsere Dosen. In zwei Stunden sollte Polaris den Flughafen erreichen.
Bei der Ankunft war die Betonmole durch einen Speedboot-Katamaran belegt. Am niedrigen Fingerponton war jedoch genug Platz. Die Vor- und Achterleine lagen bereit auf Steuerbord, an der zugehörigen Reling waren die Fender niedrig ausgebracht. Nachdem ich mit langsamer Fahrt seitlich am Steg vorbeifuhr, gab ich einen kurzen, aber kräftigen Impuls rückwärts, um Fahrt aus der Yacht zu nehmen, legte den Hebel auf neutral und hüpfte mit den Leinen von Bord. „Brrrr!“ – entwich es mir, da die Polaris noch etwas vorwärts wollte.
Nachdem sie durch landseitig kräftigem Ziehen an den Leinen zum Stillstand gebracht wurde, machte ich sie fest. Maschine aus. Fast zeitgleich sah ich das Flugzeug der erwarteten Besatzung im Landeanflug am wenige hundert Meter entfernten Flughafen. Keine Stunde später waren sie auf dem Schiff. Nach einem kurzen Plausch legten Philipp und ich ab. Wir hatten schönen Rückenwind. Philipp wurde daher unruhig. Der Wind war gut, jedoch lagen die Segel noch ordentlich gefaltet im Schiff. Er schlug vor, die Genua zu setzen. Ich erwähnte, noch nie unter Fahrt ein Segel hochgezogen zu haben, was er aufgrund des scheinbaren Winds zwischen 5–10 Knoten als machbar bezeichnete. Seine Regattaerfahrung sprach für ihn und ich stimmte motiviert zu.
Die Genua war zügig gesetzt und wir eine Erfahrung reicher. Bei schönem Sonnenschein fuhren wir zur ACI Split, wo wir einen schönen ersten Abend mit noch unvollständiger Crew verbrachten. Morten sollte am Folgetag landen.

18. April 2021
Am nächsten Morgen hatte die angekündigte Bora bereits eingesetzt. Es war bedeckt und kalt. Im Schiff sorgte ein Heizlüfter für angenehme Temperaturen. In den Morgenstunden installierte ich die vom anderen Skipper spendierten Batterie-Wächter, welche seitdem tadellos ihren Dienst verrichten und mittels mobilen Geräten abgerufen werden können.
Nach dem Frühstück fuhren wir mit dem Dinghi einkaufen und genossen etwas später die Zeit in der Altstadt.
Nachdem der Proviant ordentlich verstaut war, wurde es Zeit, Crew-Mitglied Morten abzuholen. Wir bereiteten alles zum Ablegen vor. Philipp stand am Steuer und ich legte den Schlüssel vom Motor um. Der Anlasser röhrte und wollte die Maschine zum Laufen bringen. Herkömmlicherweise reicht ein kurzer Impuls des Anlassers. Das quälende Geräusch wurde mir zu lang. Ich drehte den Schlüssel auf neutral. Nach kurzer Überlegung und einem erfolglosen weiteren Versuch fasste ich den Entschluss, die Dieselvorpumpe zu betätigen. Das war eine einfache Übung: Die kleine Handpumpe ist hinterm Niedergang. Nach mehrmaliger Betätigung legte ich den Schlüssel um. „Die Karre“ sprang an. Nach dem Desaster vom Winter schien noch Luft im System zu sein. Wir wollten uns in Milna darum kümmern, sofern noch erforderlich.

Unter Genua segelte die Yacht an Kastela vorbei, gen Flughafenmole. Philipp und ich zogen zwischenzeitlich das Großsegel rauf. Nachdem wir ziellos und entspannt durch die Gegend kreuzten, war es Zeit zum Bergen der Segel. Morten sollte bald landen. Clever wäre es nur gewesen, die Reffleine vorm Setzen des Rollgroß einzuholen, da das Segel nicht geborgen werden konnte. Der Wind war mittlerweile stärker geworden, sodass wir bei eingeschlagenem Ruder beilagen, um in aller Ruhe das Großsegel in Ordnung zu bringen. Danach legten wir an der diesmal freien Mole an. Wenige Minuten später spazierte ein vergnügter Morten gen Polaris. Die Bora war schon recht schroff. Nach dem Ablegen setzten wir die Genua und das Großsegel schön klein und stoppten die Maschine.


Der Wind legte kurz nach dem Ablegen ordentlich zu. Die Fahrtgeräusche des durchs Wasser rauschenden Rumpfs wurden vom charismatischen Jaulen der Bora verschluckt. Genua und Großsegel waren schön klein gesetzt. Die Yacht lief schnell, krängte gehörig, stampfte jedoch bei flachen Wellen nur selten. Am Gesicht eines Crewmitglieds ließ sich ablesen, dass es ihr nicht ganz geheuer war. Sie wirkte beruhigter, als sie Morten beobachtete, welcher mit einer Selbstverständlichkeit vergnügt ob des Segelwinds seine Reisetasche in den Kleiderschrank seiner Achterkabine leerte und danach im Niedergang angelehnt seine mitgebrachten Geschenke verteilte. Es gab Badetücher für jedermann und eine schöne, tiefe Pfanne für Polaris. Es war bereits stockfinster, als wir an der östlichsten Spitze der Halbinsel Trogir Richtung Milna abdrehten. Wir jagten durch den „Splitski Kanal“, während hin und wieder gebrochene Wellen unser Deck säuberten. Die neuen Luken hatten ihre erste richtige Bewährungsprobe und nach Überprüfung der betroffenen Kabinen diese auch bestanden. Ich setzte mich nach Absprache mit Rettungsweste, gesichert an der gelben Lifeline, an den Baum und blickte in den Nachthimmel und zu den beleuchteten Städten. Mit einem Kopfhörer im Ohr lauschte ich der Musik sowie dem Geräusch der Fahrt, schloss die Augen und genoss.
Wir nutzten den Wind, bis er von der Landabdeckung von Brač aus den Segeln genommen wurde. Milna war zum Greifen nah, aber unter Segel nicht zu erreichen. Es war Zeit. Im Niedergang stehend drehte ich nach dem Bergen des Großsegels den Motorschlüssel um. Der Rest der Crew zog mittlerweile an der blauen Reffleine, welche die Genua gemächlich um das Vorstag wickelte. Der Anlasser heulte auf, die Maschine schüttelte sich und wollte nach mehreren Versuchen weiterhin nicht anspringen. Das Großsegel wurde gesetzt, um manövrierfähig zu bleiben.
„Wir müssen dringend die Luft aus dem System bekommen“, dachte ich mir, als ich die kleine Vorpumpe händisch betätigte. Mein Gefühl war vom zweiten Versuch mulmig. Es ist doch ein guter Motor, eine zuverlässige Maschine, die mich bei dem Wetter nicht im Stich lässt? Nach etwa einer halben Stunde und einer leeren Starterbatterie rief ich Maksi an. Es war bereits 22 Uhr.
„Hey Maksi, we have Engine-Trouble, could you tow us to Milna?“
„Where are you staying?“
„I can see your boat! We are near the Vlaska-Marina!“
„Stay there!“

Keine fünfzehn Minuten später leuchtete im Hafen von Milna ein heller Scheinwerfer auf. Die dazugehörige Motoryacht „SeaYou“ fuhr zügig in unsere Richtung. Wir holten das Großsegel ein. Die „SeaYou“ drehte sportlich hinterm Heck der Polaris einen Halbkreis und legte sich längsseits an unser Segelboot. Maksi stieg in unser Cockpit, während sein Team die Leinen verzurrte.
Nach kurzer Begrüßung erklärte er uns die Vorgehensweise, da wir wurden noch nie geschleppt wurden und schon gar nicht längsseits! Es funktionierte wie folgt: Das Ruder der Motoryacht ist neutral festgestellt. Deren Maschine gibt lediglich Schub. Gesteuert wird aufgrund des schweren Kiels nur über Polaris. Nach einer kurzen und gemütlichen Fahrt legten wir in der Nähe der Kirche längsseits an. Wir dankten Maksi sehr und begaben uns ohne Umwege zu Dario und Ivan in die Konoba Slika. Zwischenzeitlich telefonierte ich noch mit Thomas Sauer, welcher uns versprach, noch am nächsten Tag vorbeizuschauen. Er hatte bereits einen vagen Verdacht.
Mein Abend war von innerer Unruhe und Frust geprägt. Es war meine tiefe Überzeugung, dass Thomas uns aus der Patsche helfen wird. In diesem Moment überwog jedoch die Verzweiflung.
Wir machten uns nach dem Anlegen rasch fertig für das Abendessen. Es war bereits 23 Uhr. Der Liegeplatz war in Wurfweite zu unserem Lieblingslokal. Man konnte schon das Schild sehen. Und die Crew hatte sich zwischenzeitlich für den ersten gemeinsamen Abend hübsch gemacht. Doch aufgrund meiner Grübeleien hatte ich dies nicht bemerkt und fand mich nach einem kurzen Fußmarsch im Restaurant wieder. Vor der Theke stehend stützte ich meine Ellenbogen auf der kalten weißen Marmortheke der „Slika“ ab und vergrub Mund und Nase unter den gefalteten Händen. Meine Augenlider waren zusammengepresst.
„Ey René!“ – ich wurde durch eine tiefe Stimme aus der Trance gerissen und blickte in die Augen vom Wirt Ivan, welcher meine depressive Ausstrahlung zu bemerken schien. Er schenkte mir Travariza ein, hob sein Glas und deutete mit einem Kopfnicken an, ihm dies gleichzutun. Ich rieb mein Gesicht, die rechte Hand griff zum Glas, welches mittlerweile aufgrund des Inhalts kalt und beschlagen war. Unsere Schnapsgläser trafen sich.
„Živjeli.“ – sprach Ivan mit seinem dunklen Bass. Ich erwiderte es:
„Živjeli.“
…den Abend mit meinen Freunden in der schönen Hafenstadt.

Nachwort vom 28. März 2025
Natürlich haben Patric und Thomas Sauer, unsere Mechaniker in Milna auf Brač, den Penta wieder flott gemacht. Die kleine Vorpumpe hatte den Diesel nicht im Schlauch gehalten. Kurzfristig bekam Polaris eine elektrische Vorpumpe, denn das Ersatzteil hatte Lieferzeit.
Was die beiden schon alles für Polaris getan haben. Die Sauers – die können es einfach.
Kommt noch ein zweiter Teil zu dieser Reise? Nein, nicht wirklich – danach lief alles glatt. Wir hatten eine gute Zeit, segelten zur Konoba Santor auf Lastovo, wo wir das einzige Schiff waren, und dann bei ordentlichem Jugo weiter nach Vis. Dort erkundeten wir die Insel mit dem Roller – Morten rutschte in einer Kurve über die Straße, stürzte und wurde beinahe von einem Postwagen überrollt. Dr. Shéparovic verordnete für das schmerzende Bein Kabinenruhe und Getränke aus Hopfen und Malz.
Dann war da noch ein Riss in einer Saling, die mir Nerven kostete. Die Reparatur in Split bei Lule (sehr guter Rigger!) hält bis heute!
Eben all die alten Geschichten… vielleicht irgendwann!