Vorwort:
Der Artikel wurde vor vier Jahren verfasst. Er fand zu Beginn der weltweiten Corona-Pandemie statt. Wir schoben unser Atlantik-Prokjet um zwei Jahre auf. Es waren zwei wertvolle Jahre, in welchen sich das Team als auch das Boot enorm entwickeln konnte. Der Törn nach Palagruza war rein vom Ziel besonders, aber auch aufgrund Zweihand und der weiten Distanz zur Küste eine Steigerung. Der erste Teil der Geschichte bezieht sich auf die technischen Vorbereitungen, welche in dieser Saison stattfanden.
Am 5. Juni 2020 kehrten wir auf unsere Polaris zurück. Ursprünglich hatten wir einen längeren Törn nach Venedig für die Monate April und Mai geplant. Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie konnte dieses Vorhaben jedoch nicht umgesetzt werden. Trotzdem überwog die Freude, endlich wieder zu reisen.
Der Weg nach Kroatien war völlig unprolematisch. Die Autobahnen waren gähnend leer. Auf den wenigen geöffneten Raststätten waren vereinzelt Touristen anzutreffen, welche beim Begehen des Verkaufsraumes unsicher an ihren Ohrenbändern der Atemschutzmaske nestelten.
Bei strahlendem Sonnenschein kamen wir vormittags in Split an und konnten gegen 09:00 Uhr die Fähre nach Supetar auf Brac nehmen. Auf dem leeren Sonnendeck genossen mein Vater und ich die strahlende Sonne.
Nach unserer Ankunft in Supetar setzten wir mit Vaters Passat die Reise nach Milna fort. Wir passierten die Einfahrt zur ACI und waren zurück bei unserem Schiff! Dort begrüßte uns Philipp, der bereits zwei Tage zuvor angekommen war. Nach einem kurzen Plausch begannen wir mit den Arbeiten: Eine neue Ankerwinde sollte ihren Platz im Ankerkasten finden; sie war größer und kraftvoller als das ursprüngliche Modell. Eine Edelstahl-Kette sollte die in die Jahre gekommene Standardausführung ersetzen. Zudem hatten wir Davits-Stützen im Gepäck, ebenso wie neues Teakholz für das Heck und allerlei Zubehör, das unsere Yacht weiter voranbringen sollte. Besonders stolz war ich auf das aktive AIS, das schon lange auf meiner Wunschliste stand.
Die Arbeiten am und besonders im Ankerkasten kosteten uns viel Zeit. Der Sockel der Ankerwinde musste zwecks Anpassungen gleich dreimal zum Edelstahl-Schweißer. Die Nuss sollte möglichst hoch reichen, um ein altes Grundproblem der Classic-Baureihe zu lösen: Das regelmäßige Durchrauschen der Ankerkette aufgrund der werksseitig zu niedrig montierten Winde. Idealerweise läuft eine Ankerkette im 90-Grad-Winkel um die Nuss. Dies wurde bei Weitem nicht erreicht. Doch das höhersetzen der Ankerwinde bereitete ein Folgeproblem: Der Deckel vom Ankerkasten sollte sich natürlich schließen lassen. Jeder Millimeter zählte.
Die einfacheren Arbeiten waren schnell erledigt: Das AIS "EasyTrx3" von Weather-Dock war schnell installiert. Die Davits fanden einen geeigneten Platz am Heck der Polaris. Unter Anleitung der "Problemlöser" Thomas und Patric Sauer baute ich einen neuen Charger (60Ah anstelle von 25Ah) sowie zwei neue, wartungsfreie Batterien á 140 Ampere ein.
Mein Vater musste wieder in die Heimat. Philipp und ich waren allein und fieberten der Anpassung des Sockels der Ankerwinde entgegen, die wiedermal beim örtlichen Edelstahlschweißer lag. "I will call you when it is finished!" - Nachdem wir einen ganzen Tag frustriert auf der Polaris-Baustelle gewartet hatten, saßen wir abends bei einem kühlen Getränk im Cockpit. Ein schöner Segelwind wehte durch Milna, wir blickten uns an und verstanden: Yacht klar machen, wir gehen segeln.
Viele Stunden verbrachten wir vor Brac mit Vollzeug. Der Wind drückte in die Segel und hielt die Genua samt neuen Schoten schön straff. Wir kehrten erst zurück, als der Wind gänzlich einschlief. Gegen 22:00 Uhr machten wir fest und aßen in der Pizzeria Slika. Wir beschlossen, es am Folgetag gleich zu tun, falls die versprochenen Arbeiten am Sockel weiterhin nicht erledigt sein sollten.
Am nächsten Morgen machten wir die Leinen los: Wir segelten in Richtung Solta, als uns ein unerwarteter Anruf erreichte: „It is finished!“, verkündete der Edelstahl-Experte von Brac. Wir legten Kurs zurück nach Milna. Mit einem schönen Raumschot segelten wir in den Hafen hinein, und die Segel wurden erst unmittelbar vor unserem Liegeplatz geborgen. Am Nachmittag war die Winde fertig montiert und sollte ausprobiert werden.
Wir begaben uns in die Bucht „Bobovice“ und warfen die Edelstahlkette samt Anker ins Meer. Die neue Ankerwinde lief einwandfrei. Kein Eindrehen, kein Stapeln der Kette im Ankerkasten. Eine riesengroße Marotte der Polaris war endlich gelöst. Wir genossen eine wunderschöne Nacht bei Pivo und einem Glas Wein von der örtlichen Kelterei "Pavic".
Am 13. Juni 2020, gegen 16:00 Uhr, starten wir endlich unseren geplanten Zweihand-Törn gen Palagruza. Die direkte Strecke beträgt etwa 80 Seemeilen. Unser Plan: Alles unter Segel, der Motor soll aus bleiben. Nach dem Ablegen segelten wir bis zu den "Paklinski-Otoci" südlich der Westspitze von Hvar. Ich war neugierig und wollte wissen, ob sich die Investition in das aktive AIS nicht nur aus Aspekten der Kollisionsverhütung lohnte und warf einen Blick in die App "Vessel-Finder".
Diese App zeigt sämtliche Positionen von sendenden Schiffen in einer Seekarte an. Sie ist das maritime Pendant von "FlightRadar24". Ich zoomte in die Karte und fand unser einen Pfeil, welches unsere Position und Fahrtrichtung anzeigt, samt Schiffsnamen und MMSI. Das aktive AIS tat seine Arbeit. Gegen 18 Uhr passierten wir die "Paklinski-Otoci". Wir beschlossen, die Nachtzeit bis 10 Uhr morgens in vierstündige Schichten aufteilen. Philipp legte sich hin. Ich war alleine in der Pflicht. Die Segel waren gestellt, Polaris rauschte mit 7,5kn Fahrt.
Pünktlich um 22 Uhr schritt Philipp den Niedergang hinauf und löste mich ab. Nach einem kalten Feierabendgetränk begab ich mich in die Bugkabine für meine Pause. Das Rauschen des an der Bordwand vorbeifliessenden Wassers erfüllte den Raum. Auch die mitdrehende Schraube lies eine ungefähre Geschwindigkeit erahnen. Ich schloss zufrieden die Augen. Kurz vor zwei Uhr klingelte mein Wecker. Ich schlüpfte in mein Ölzeug, stieg den Niedergang hinauf und fand Philipp am Steuerstand sitzend vor.
Die Yacht lief mit 7,5 Knoten Hart am Wind. „Der Leuchtturm von Palagruza ist bereits zu sehen!“ - Der Skipper wies in Richtung Süd-Südwest während er den Niedergang hinab schritt. Eine Stunde hielt der Wind, dann wurde er zunehmend schwächer. Das neu eingebaute AIS erwies sich in der Nachtzeit als vorteilhaft. Es war mit meinem Tablet-PC gekoppelt, sodass auf der App "Navionics" sämtliche sendenden Schiffe in der Seekarten zu sehe waren. Erst Wochen später gelang es mir, den Plotter am Steuerstand mit dem AIS zu koppeln.
Zahlreiche Containerschiffe waren im Schifffahrtstrennungsgebiet zwischen Palagruza und Italien zu sehen. Um uns herum war alles frei. Bei fünf Knoten Wind dümpelte Polaris mit eineinhalb Knoten Fahrt dahin. Der Timer meines Smartphones wurde auf zwanzig Minuten gestellt und nach regelmäßig neu gestartet. So konnte ich zumindest in kleinen Intervallen schlummern. Meiisten vor dem Ablauf des Timers lies ich meinen Blick über den Horizont schweifen um nach anderen Schiffen zu sehen. Ein Blick in die Karte verriet mir, dass keinerlei sendende Yachten in der Nähe waren.
Der vom Ankerlicht beschiene Verklickerer am Mast-Top zeigte einen schwachen Wind. Wir machten wenig, aber stabile fahrt. Gegen fünf Uhr weckte mich der auffrischender Wind. Bis dahin hatte die Polaris in meiner Schicht vielleicht fünf Seemeilen zurückgelegt. Wir rauschten während eines schönen Sonnenaufgangs mit immerhin vier Knoten in Richtung der mittlerweile gut zu erkennenden Leuchtturm-Insel. Gegen sechs Uhr stieg Philipp den Niedergang empor. Ich berichtete von keinen nennenswerten Ereignissen. Er kommentierte: „Wir haben nicht viel Stecke geschafft.“ - ein wenig Enttäuschung schwang in seiner Aussage - jedoch war uns bewusst, dass diese Etappe auch gewisse Längen zu bieten hat.
Zurück in der Bugkabine sollte ich einschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührt. Um 09:30 Uhr machte ich die Augen wieder auf und kroch aus der Kabine. Die Geräusche des Wasser schließen auf langsame Fahrt. Sie war so gering, dass die Schraube nichteinmal mitlief. Ich begab mich ins Bad, zog mich an und schaute nach dem anderen Skipper. „Zwischendurch hatten wir schönen Wind! Noch fünf Meilen bis Palagruza!“ Der Wind nahm zu, die Fahrt auch. Die Sonne brannte. Die Solar-Module füllten unsere Batterien. Das System war 1A. Trotz Auto-Pilot, Kühlschrank, Navigationslichter und diverse Utensilien hatten wir noch reichlich Saft! Irgendwann war Palagruza zum Greifen nahe. Wir bemerkten zahlreiche Möwen, welche die Insel umkreisten.
Das Krähen der Tiere erfüllte die Szenerie. Diese Insel wirkte so unberührt, fern der Zivilisation. Irgendwann hörten wir das Röhren eines Motors: Hinter uns näherte sich eine Segelyacht. War sie zunächst noch fern am Horizont, holte sie uns in Windeseile ein. Windeseile? Die Segel drin und den Gashebel des Motors "auf den Tisch" gelegt brauste sie an uns vorbei und schnappte sich wenige Armlängen vor uns die einzige Boje von Palagruza, welche sich auf der südlichen Seite befindet. Wir machten uns nichts draus und segelten ein paar Schiffslängen weiter und warfen unseren Anker samt nagelneuer Edelstahlkette ins Wasser.
Er saß auf Anhieb. Wir bereiten unser Dinghi vor. Das als Motoryacht zweckentfremdete Segelboot hatte seines bereits klar. Ein Pärchen setzte über. Der Außenborder störte die beeindruckende Szenerie mit ihrem Motorgeräusch. Es wäre gelogen zu behaupten, dass wir aus Gründen des Umweltschutzes paddelten. Unser Motor war schlichtweg direkt abgesoffen. Mit Drohne, Kamera und Bier bewaffnet ging es über zum Strand, an welchem kleine Wellen brandeten und Kies bewegten.
Auch nach einem Jahr sind mir die Erinnerungen sehr präsent. Es fällt mir gleichwohl schwer in Worte zu fassen, was dieses Erlebnis in mir ausgelöst hat. Am Nachmittag zuvor saßen wir noch bei Dario und Ivan in der Pizzeria Slika. Achtzehn Stunden später standen wir auf dieser Insel. Auf Palagruza am Strand, mit dem Bier in der Hand und dem Blick auf das Meer.
Nach der Bierlänge machten wir uns auf zum Leuchturm. Ein aus Steinen angelegter einfacher Fußweg säumte sich seinen Weg die Insel hinauf. Oben angekommen ging es auf dem "Kamm" in Richtung Leuchtturm. Zwei Möven saßen am Wegesrand und ließen sich nicht stören. "Hier tritt auch keiner nach ihnen." - schlussfolgerte Philipp.
Am Leuchtturm angekommen bemerkten wir am Eingang zur großräumigen Terrasse ein Art angebrachtes Verkehrsschild, dessen Aufschrift es Fußgängern untersagte, das Gelände des Leuchtturms unbefugeten zu betreten. Daneben stand eine braungebrannte Frau und das Pärchen vom Motorboot, welche sich gerade verabschiedeten. Wir baten freundlich auf Englisch um Einlass. Sie antwortete uns auf Deutsch, dass wir gerne eintreten dürfen.
"Sie machen hier Urlaub?!", fragte ich unverblümt. Die braungebrannte Frau lachte: "Ich bin die Frau vom Leuchtturm-Wärter. Wir wohnen einen gesamten Monat hier." - "Dürfen wir auf den Leuchtturm rauf?" - "Ich frage ihn mal." - Sie wendete sich zur offenstehenden Eingangstür und fragte etwas in kroatischer Sprache. Aus dem Leuchtturmhaus hörten wir nur ein entspanntes: "Moze...!". Sie grinste und blickte wieder zu uns: "Ihr dürft. Den anderen war es nicht gestattet." Ob es uns erlaubt war, weil wir die gesamte Strecke unter Segel bestritten haben? Wir fühlten uns geehrte und begaben uns rein. "Wir haben hier zwei Ferienwohnungen.", erklärte sie uns während es eine für einen Leuchtturm charakteristische Wendeltreppe immer weiter rauf ging.
Ganz oben angekommen bestaunte ich das Lichtgehäuse, in dessen Inneren sich die jetzt ausgeschaltete Lampe auf einem Sockel langsam drehte. Ganz nah an der Lichtquelle zu sein, welcher uns in der Nacht den Weg wies, war ein surrealer und beeindruckender Moment. Wir begaben uns nach draußen, lehnten uns gegen die Balustrade, genossen den weiten, ungehinderten Blick auf das Meer, für eine unendlich anfühlende Weile schweigend den herrlichen Ausblick. Die Szenerie wurde vom Wind, den Möwen und dem Rauschen des Meeres erfüllt. Manuela, so heißt die Frau vom Leuchtturmwart, strahlte eine innere Zufriedenheit aus, welche ich nur selten bei einem Menschen beobachten durfte.
Eine Frage lag mir auf der Zunge: "Wie lernt man einen Leuchtturm-Wärter kennen?". Manuela erzählte mir, dass sie sich zum ersten Mal auf einer Fähre begegnet waren. Sie kannte sich kaum aus und benötigte Auskunft über die Fahrpläne. Bei einem Kaffee im Bordbistro blieb es jedoch nicht.
Nach der Verabschiedung schlenderten wir übern den Kamm der Insel, um uns noch etwas umzusehen. Die Mittagssonne stand hoch, brannte und brachte mich ins Schwitzen. Der angenehme nördliche Seewind verschaffte etwas Abkühlung. Am Strand angelangt ruderten wir zurück zum Schiff und machten uns bereit zum Ablegen. "Ich muss noch eine Falsche Rotwein von Pavic am Strand deponieren."
Als Dank für die Gastfreundlichkeit sagte ich am Leuchtturm Manuela eine Flasche unseres Lieblings-Kelter von Milna zu. Zurück am Schiff packte ich diese in meinen wasserdichten Rucksack und schwamm zurück zum Strand, um diese dort an dem einzigen schattigen Platz zu deponieren. Zurück am Schiff angekommen, fand ich eins durch Philipp längst für die Abfahrt bereit gemachten Schiff vor.
Wir rissen den Anker aus dem Sand und setzten die Segel. "Wohin fahren Sie heute?", hätte Tonci gefragt. Das Ziel stand jedoch schon fest, nachdem ich nach dem Bergen des Ankers einen strengen Geruch aus dem Bereich des Ankerwinden-Relais bemerkte. Diese übernommene, für die neue Leistung minderwertige Verbindung zwischen Relais und Ankerwinde, war überhitzt. Die Isolierung begann zu kokeln. Wir hatten immerhin 600 Watt mehr,.
"In Dubrovnik kenne ich einen guten Elektriker." - Den brauchten wir, ohne zurück nach Milna zu den Sauers fahren zu müssen. Ich war mir sicher, dass eine gescheite Pressung der Kabel helfen wird, doch fehlte mir das Werkzeug. Mein Kontakt sagte unmittelbar zu. Die Wetterlage war für uns günstig.
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